Prozess gegen den Geschäftsführer
im Insolvenzverfahren der GmbH

In diesem Beitrag stelle ich die Besonderheiten der Darlegungs- und Beweislast sowie die Verteidigungsmöglichkeiten des in Anspruch genommenen Geschäftsführers dar.
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Anknüpfungspunkt des § 64 S. 1 GmbHG sind Zahlungen des Geschäftsführers, welche nach „Eintritt der Zahlungsunfähigkeit“ oder nach „Eintritt der Überschuldung“ aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet werden.

Damit knüpft das GmbH-Gesetz an die Insolvenzauslösungstatbestände des § 17 InsO (Zahlungsunfähigkeit) und § 19 InsO (Überschuldung) an.

Nicht haftungsauslösend ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO.

I. Insolvenzantragsgründe

Von § 64 S. 1 GmbHG werden Zahlungen erfasst, die nach Insolvenzreife, d.h. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung an Gläubiger geleistet wurden.

Die Rechtsprechung hat sich mit diesen Voraussetzungen intensiv beschäftigt.

  1. Zahlungsunfähigkeit

Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH aus dem Kalenderjahr 2005 liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10 % zurückzuführen. Vorzunehmen ist diese Beurteilung allein anhand objektiver Umstände.

Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.

Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist.

Zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit wird ausschließlich das liquide Barvermögenspotential des Schuldners betrachtet und geprüft, ob er damit seine kurzfristigen Zahlungspflichten erfüllen kann.

Gebundene Vermögenswerte, die nicht kurzfristig realisiert werden können, z.B. Immobilien, Anlagen, etc. bleiben außer Betracht. Gebundenes, werthaltiges Aktivvermögen hilft dem Schuldner mithin nicht, wenn ihm die Barmittel fehlen, um die fälligen Verbindlichkeiten, z.B. Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, Warenlieferungen bezahlen zu können.

Es läuft mithin auf eine Feststellung hinaus, dass der Schuldner aktuell nicht mehr zahlen kann, selbst wenn er zahlen wollte.

Zu der Feststellung eines „Mangels an Geldmitteln“ sind die am maßgeblichen Stichtag verfügbaren Geldmittel mit den bestehenden und fälligen Verbindlichkeiten rechnerisch gegenüberzustellen; aufzustellen ist eine sog. Liquiditätsbilanz oder ein Liquiditätsstatus.

Aktivseitig sind die verfügbaren Zahlungsmittel – Aktiva I – und die innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel – Aktiva II – einzubeziehen.

Die Aktiva I umfassen hierbei die aktuell verfügbaren liquiden Mittel wie

  • Kasse und
  • Bankguthaben.

Die Aktiva II umfassen die innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel, wie

  • zu erwartenden Zahlungseingänge von Kundenforderungen,
  • Verkaufserlöse von Vermögensgegenständen,
  • nicht ausgenutzte Kreditlinien oder
  • verbindlich vereinbarte Nachschussverpflichtungen solventer Gesellschafter.

Dem sind die am Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten – Passiva I – gegenüberzustellen.

Die umstrittene Frage, ob die innerhalb von drei Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten in den Liquiditätsstatus einzubeziehen sind – Passiva II – hat der BGH mit der h.M. mittlerweile bejaht.

Hintergrund dieser Frage war die Tatsache, dass sowohl die Zahlungsfähigkeit als auch die Zahlungsunfähigkeit bereits am Tag nach dem Stichtag durch fällig werden von weiteren Verbindlichkeiten oder durch Vereinnahmung von Zahlungen wieder entfallen kann.

Damit bestand die Gefahr einer sog. Bugwelle, wenn man auf der Passivseite lediglich die am Stichtag fälligen Verbindlichkeiten ansetzt und danach fragt, ob der Schuldner diese binnen drei Wochen liquide bedienen kann.

  1. Überschuldung

Anders als bei der Zahlungsunfähigkeit werden bei der Prüfung der Überschuldung i.S.v. § 19 InsO nicht nur die liquiden Geldmittel und kurzfristigen Verbindlichkeiten betrachtet, sondern das Gesamtvermögen und alle Verbindlichkeiten. Ziel der Überschuldungsprüfung ist demzufolge, nicht nur das liquide, sondern das tatsächlich vorhandene Schuldendeckungspotential zu ermitteln.

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Voraussetzungen sind danach die bilanzielle Überschuldung und eine negative Fortführungsprognose, wobei § 19 Abs. 2 S. 1 InsO keine Prüfungsreihenfolge dieser Voraussetzungen vorschreibt.

In der Regel wird der Geschäftsführer mit der Fortbestehensprognose beginnen.

Fällt diese positiv aus, liegt schon keine Überschuldung vor; ist diese negativ, kommt es auf den Überschuldungsstatus an. Für diese Überschuldungsbilanz sind nach § 19 Abs. 2 InsO stets Liquidationswerte maßgeblich.

Sie ist an dem alleinigen Zweck ausgerichtet, das Schuldendeckungspotential zu ermitteln. Ist der Überschuldungsstatus mithin positiv, liegt keine rechnerische und rechtliche Überschuldung vor.

II. Verteidigungsmöglichkeiten des Geschäftsführers

Prozessual stellt sich die Frage, wer welche Tatbestandsvoraussetzungen im Rahmen des § 64 S. 1 GmbHG zu beweisen hat.

Grundsätzlich genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. § 138 Abs. 1 ZPO).

Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.

In der Regel genügt gegenüber diesen Tatsachenbehauptungen des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten, allerdings hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden davon ab, wie substantiiert der Darlegungspflichtige vorgetragen hat.

Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich allein aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist.

Ausgehend von diesen allgemeinen Regeln sind von der Rechtsprechung im Rahmen des § 64 GmbHG erhebliche Modifikationen vorgenommen worden.

  1. Zahlungsunfähigkeit

Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es durch den Kläger einer geordneten Gegenüberstellung der zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mittel des Schuldners, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz.

Nach Ansicht des BGH ist es ausreichend, wenn eine Liquiditätsbilanz tabellarisch unter Angaben der der elektronischen Buchhaltung der Schuldnerin entnommenen Daten wie Kontoart, -nummer und -bezeichnung, Buchungstext, Buchsaldo sowie Betrag chronologisch nach Kontonummern, sowie Ausdrucke der jeweiligen Einzelbuchhaltungskonten und (soweit vorhanden) Rechnungen samt Rechnungsbetrag und Fälligkeitsdatum aufgelistet werden.

Dabei kann die Gesellschaft – regelmäßig der Insolvenzverwalter – auf die Buchhaltung der Schuldnerin verweisen, da diese davon ausgehen kann, dass der Geschäftsführer die Bücher so geführt hat oder durch Angestellte hat führen lassen, dass sie ein richtiges und vollständiges Bild von allen Geschäftsvorfällen vermitteln, die im Betrieb angefallen sind.

Will sich der in Anspruch genommene Geschäftsführer auf etwaige Unrichtigkeit der Buchhaltung berufen, hat er diese nach Ansicht des BGH darzulegen und zu beweisen.

Aus der Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen, ergebe sich zwar eine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, aber keine unwiderlegbare Vermutung zu seinen Lasten dahin, der Inhalt einer Buchung gebe die Rechtswirklichkeit zutreffend wieder.

Stützt sich die Gesellschaft im Prozess gegen ihren Geschäftsführer auf vorhandene Buchungen und Buchungsunterlagen, hat der in Anspruch genommene Geschäftsführer somit zwar für seine Behauptung, die Buchführung sei nicht ordnungsgemäß, den Nachweis zu erbringen.

Ein einfaches Bestreiten der aufgestellten Liquiditätsbilanz und der fällig werdenden Verbindlichkeiten ist nicht ausreichend; ebenso wenig die pauschale Behauptung die Buchhaltung sei im fraglichen Zeitraum nicht mehr ordnungsgemäß geführt worden.

Damit trifft die nicht beweisbelastete Partei eine erhebliche Substantiierungslast.

Begründet wird dies damit, dass der darlegungspflichtige Gegner – regelmäßig der klagende Insolvenzverwalter – außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und er die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei – dem beklagten Geschäftsführer – bekannt und ihm ergänzende Angaben zuzumuten sind.

Da der Geschäftsführer mit den finanziellen Verhältnissen der insolvent gewordenen Gesellschaft aufgrund seiner Tätigkeit vertraut ist, ist er nach Ansicht des BGH gehalten, im Einzelnen substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen, welche der in der Buchhaltung vorhandenen Buchungen in welcher Hinsicht unrichtig sein sollen.

Es muss daher im Einzelnen vorgetragen und ggf. beweisen werden, welche in die Liquiditätsbilanz eingestellten Verbindlichkeiten konkret nicht bestanden haben oder nicht fällig gewesen sind.

In einem Prozess muss der Geschäftsführer die einzelnen Positionen mithin substantiiert bestreiten und z.B. Steuerberater, Buchhalter etc. als „Gegenzeugen“ benennen.

  1. Überschuldung

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass trotz rechnerischer Überschuldung ein positives Ergebnis der Fortbestehensprognose geltend gemacht werden kann, trägt der Geschäftsführer.

Eine positive Fortführungsprognose – und mithin die Verneinung des Überschuldungstatbestands – kann und darf sich nicht in reinen Meinungen und Hoffnungen des Geschäftsführers widerspiegeln, sondern verlangt vielmehr eine Materialisierung durch eine sorgfältig erstellte, für sachverständige Dritte nachvollziehbare Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung auf Basis eines schlüssigen Unternehmenskonzepts.

An Hand der zu erwartenden Zahlungsströme ist nach den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen eine Zahlungsfähigkeitsprognose zu erstellen. Die Gesellschaft muss ihre Verbindlichkeiten jedenfalls in der nächsten Zeit, im Allgemeinen mindestens bis zum Ende des laufenden und des folgenden Geschäftsjahrs, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird erfüllen können.

Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast ist dem Geschäftsführer dringend zu raten, die der Fortbestehensprognose zugrunde liegenden Planungsdaten ebenso wie die Ableitung des Prognoseergebnisses schriftlich zu dokumentieren.

Ergibt sich kein eindeutig positives Ergebnis für die Fortbestehensprognose, kommt es auf die Überschuldungsbilanz an. Ist diese positiv, liegen keine rechnerische und deshalb auch keine rechtliche Überschuldung vor.

Zur Erstellung der Überschuldungsbilanz sind die Aktiva und Passiva des Unternehmens in einem bilanziellen Überschuldungsstatus gegenüberzustellen. Beim Wertansatz ist immer von den Liquidationswerten auszugehen, denn die Prüfung der Bilanz erfolgt nur bei negativer Fortbestehensprognose.

Festgestellt wird das Schuldendeckungspotenzial, weshalb gegenüber der regulären Handelsbilanz modifizierte Regelungen für den Ansatz und Bewertung der Bilanzpositionen gelten.

Für eine Darlegung der Überschuldung reicht es nach der Rechtsprechung aus, dass die Gesellschaft diese unter Bezugnahme auf den aufgestellten Jahresabschluss sowie die betriebswirtschaftliche Auswertung dargelegt.

Zwar kommt der Handelsbilanz der Schuldnerin für die Beurteilung der Überschuldung nur eine indizielle Bedeutung zu, gleichwohl genügt der klagende Insolvenzverwalter der ihm obliegenden Darlegung mit dem Verweis auf einen ausweislich der Handelsbilanz nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag und die weitere Darlegung, dass im Vermögen der Schuldnerin stille Reserven nicht vorhanden sind.

Der beklagte Geschäftsführer hat dann im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

Die Werte der handelsrechtlichen Bilanz führen aufgrund des geltenden Vorsichtsprinzips gemäß § 253 HGB tendenziell zu einer Unterbewertung des Unternehmensvermögens.

Stille Reserven einschließlich des Firmenwerts dürfen handelsrechtlich nicht berücksichtigt werden.

In der Überschuldungsbilanz dürfen diese hingegen berücksichtigt werden, wenn und soweit diese im Liquidationsfalle realisierbar sind.

Prozessual ist es mithin von besonderer Bedeutung, etwa mögliche Käufer und die gebotenen Preise für einzelne Assets der Gesellschaft zu benennen. Möglich ist ebenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert.

Bei streitigen Forderungen war die Bewertung im Rahmen der Überschuldungsprüfung unklar.

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraus, dass die Forderung einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist; es gelten die Grundsätze vorsichtiger Bewertung.

Im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO gehe es um die realistische Beurteilung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft und insofern in erster Linie um den Gläubiger- und Verkehrsschutz, weshalb eine Überbewertung von Vermögensgegenständen vermieden werden müsse.

Entsprechend den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen sind streitige Forderungen grundsätzlich zu bilanzieren.

Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn objektiv nachprüfbare Tatsachen dafür vorliegen, dass keine realistische Möglichkeit der Forderungsdurchsetzung besteht, z. B. Nicht-Zahlung trotz Vorliegen eines Anerkenntnisses etc.

  1. Informationsrecht

Die zulasten des in Anspruch genommenen Geschäftsführers sehr weitgehende Beweislast wird von der Rechtsprechung u.a. damit begründet, dass er berechtigt sei, zum Zwecke seiner Beweisführung Einsicht in die Buchhaltung der GmbH zu nehmen.

Der Inhalt und Umfang der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht richten sich in der Regel nach Treu und Glauben, der Verkehrssitte und den Umständen des Einzelfalles, wobei sich Inhalt und Grenzen der Informationspflicht stets auf das konkrete Rechtsverhältnis beziehen.

Die Auskunft muss die zur Durchsetzung des Gläubigeranspruchs notwendigen Informationen enthalten. Zwar besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Vorlage von Belegen, etwas anderes gilt aber dann, wenn der Gläubiger auf diese angewiesen ist und dem Schuldner diese zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden kann.

Da der Auskunftsberechtigte für eine aktive und zielführende Verteidigung auf die Unterlagen angewiesen ist und diese im Zeitalter elektronischer Buchführung/Belegwesen unproblematisch verfügbar sind, muss ein solcher Anspruch bestehen.

Der in Anspruch genommene Geschäftsführer sollte daher bereits bei der ersten Anforderung durch den Insolvenzverwalter auf das vorgenannte Informationsrecht hinweisen.

Solange solche Informationen/Auskünfte nicht erteilt wurden, steht dem Geschäftsführer hinsichtlich des Zahlungsverlangens ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu.

Sollte der Insolvenzverwalter die Einsichts- und Auskunftsrechte verweigern, würde dies eine Beweisvereitelung darstellen.

  1. Verschwiegenheitsverpflichtung von Zeugen

Benennt der in Anspruch genommene Geschäftsführer z.B. den Steuerberater der Gesellschaft als Zeugen, ist § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Demnach haben Steuer- und Wirtschaftsberater einschließlich des Büropersonals ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Es besteht dann aber keine Schweigepflicht, wenn der Zeuge von ihr entbunden ist (§ 385 Abs. 2 ZPO).

Der Insolvenzverwalter sollte mithin aufgefordert werden, eine solche Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen. Verweigert dieser die Entbindung, sind die Umstände frei zu würdigen, während eine Beweisvereitelung regelmäßig nicht in Betracht kommen dürfte.

  1. Rangrücktritt/Stundungsvereinbarung

Ein adäquates Mittel zur Vermeidung der Insolvenzantragsgründe ist die Vereinbarung eines Rangrücktritts.

Grundsätzlich müssen alle einer Gesellschaft gewährte Darlehen passiviert werden und können zu ihrer Überschuldung (§ 19 InsO) beitragen.

Rangrücktrittsvereinbarungen dienen dem Zweck, eine Forderung im Überschuldungstatus einer Gesellschaft unberücksichtigt zu lassen und dadurch ihre Insolvenz zu vermeiden.

Obwohl ein Rangrücktritt häufig zwischen einem Gesellschafter als Inhaber einer Darlehens- oder sonstigen Drittforderung und seiner Gesellschaft vereinbart wird, kann diese aber ebenso unproblematisch zwischen einer Gesellschaft und einem Nichtgesellschafter vereinbart werden.

Zwar bedarf diese zur Wirksamkeit grundsätzlich keiner Form, allerdings ist – was selbstverständlich sein dürfte – aus Beweisgründen eine Dokumentation jedenfalls in Textform ratsam.

Gleiches gilt für Stundungsvereinbarungen: Eine Forderung ist bereits dann i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügen bereits sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen des Gläubigers.

Die Fälligkeit kann aus der ursprünglichen Vertragsabrede etwa im Rahmen von Miet- und Pachtverhältnissen regelmäßig zu entrichtende Zahlungen oder aus einer nach Fertigstellung der Leistung übersandten Rechnung herrührt, wobei die Übersendung einer Rechnung nicht zwingend ist.

Auszunehmen sind bei der Zahlungsunfähigkeit Forderungen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärungen – gestundet sind. Unter eine derartige Stundung fällt auch ein bloßes Stillhalteabkommen.

Hat der Gläubiger das Stillhalten an die Erbringung gewisser Leistungen, insbesondere Ratenzahlungen, geknüpft, wird der Schuldner allerdings von Neuem zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen.

Der Geschäftsführer hat substantiiert die Darlegung der Stundungsvereinbarungen und ihres Inhalts vorzutragen.

Ausreichend ist z.B. der Vortrag, dass die Gläubiger mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche in der Regel zugewartet hätten, bis die Schuldnerin Einnahmen erzielte und das tatsächliche Verhalten der Lieferanten in der Vergangenheit, die über längere Zeit offenstehende Forderungen nicht zum Anlass für Mahnungen oder Liefereinschränkungen genommen haben. Über die weiteren Umstände ist dann Beweis zu erheben.

Wichtig und in der Praxis häufig vergessen wird auch die Darlegung, dass die Vereinbarung mit einer vertretungsbefugten Person des Gläubigers erfolgte.

III. Strafrecht

Letztlich ist Vorsicht geboten, sofern in zivilrechtlichen Prozess vorgetragen werden sollte, dass die Handelsbücher unsorgfältig geführt wurden. Durch diesen Vortrag kann der Straftatbestand des § 283 Abs. 1 StGB „heraufbeschworen“ werden.

  • Die Variante des § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird dann verwirklicht, wenn der Täter Handelsbücher, die er gesetzlich zu führen verpflichtet ist, nicht führt (sog. echtes Unterlassungsdelikt) oder so mangelhaft führt bzw. manipuliert, dass die Übersicht über seinen Vermögensbestand erschwert wird; die Nr. 6 bestraft das Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören oder Beschädigen von geschäftlichen Urkunden vor Ablauf der buchführungspflichtigen obliegenden Aufbewahrungsfristen und Nr. 7 betrifft die mangelhafte Bilanzierung bzw. unterlassene Aufstellung von Bilanz oder Inventar.
  • Zudem stellt § 283b StGB die bereits von § 283 Abs. 1 Nr. 5 – 7 StGB umschriebenen informationsbezogenen Bankrotthandlungen selbstständig unter Strafe, wobei auf das Erfordernis einer Tatbegehung während einer wirtschaftlichen Krise verzichtet wird. Diese Norm ist mithin ein abstraktes Gefährdungsdelikt.

Nach Ansicht des Gesetzgebers ist eine korrekte Rechnungslegung eine elementare Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Wirtschaftslebens und ihre Missachtung rechtfertigt eine Sanktionierung durch das Strafrecht.

Eine Strafbarkeit würde dann ausscheiden, wenn dem Geschäftsführer die Führung der Handelsbücher fachlich und finanziell unmöglich ist. Allerdings würde eine dauerhafte Unmöglichkeit nicht entlasten, da er seine Geschäftstätigkeit aufgeben müsste.

IV. Ergebnis

Die Anforderungen des BGH an das substantiierte Bestreiten des Geschäftsführers sind sehr weitgehend und kommen fast einer Beweislastumkehr gleich.

Belastbare Informationen über den Zustand und die Geschäfte der Gesellschaft sind mithin unumgänglich.

Es ist mithin von enormer Bedeutung die Informationen zu beschaffen und zu sichern. Hinzu kommt die wirtschaftliche Komponente. Der Geschäftsführer wird häufig neben der juristischen Beratung noch externen Sachverstand z.B. von Wirtschaftsprüfern benötigen.

Spätestens bei ersten Krisenanzeichen sollte ein Unternehmen mit deren Hilfe eine integrierte Unternehmensplanung einrichten. Damit lassen sich mögliche Liquiditätslücken rechtzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten

Ansonsten verliert der Geschäftsführer bzw. Vorstand aufgrund der Rechtsprechung des BGH jeglichen Handlungsspielraum.

Gemeinsam mit meinen Mandanten entwickle ich eine erfolgversprechende Strategie und setze diese mit den verfügbaren rechtlichen und taktischen Mittel entsprechend um. Selbstverständlich stehe ich Ihnen auch persönlich für eine umfassende Beratung zur Verfügung.

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