Grundlagen möglichst objektiver Unternehmensbewertung (Multiples Finance)

Die Durchführung einer qualifizierten Unternehmensbewertung (Multiples Finance) ist eine der schwierigsten Aufgaben im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages.
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Je nach Wahl des Bewertungsverfahrens werden unterschiedliche Ergebnisse ermittelt.
  • Ein allgemein verbindliches Bewertungsverfahren existiert nicht.
  • Den absolut richtigen und objektiven Unternehmenswert gibt es nicht.

Häufig überschätzt der Übergeber den Wert seines Unternehmens, das er über viele Jahre mit seinem ganzen Einsatz aufgebaut hat. Der Übernehmer hingegen möchte einen möglichst niedrigen Kaufpreis generieren, um seine Finanzierung darstellen zu können.

In die Verkaufsverhandlungen fließen aber neben objektiven Kriterien auch viele subjektive Wertvorstellungen ein. Hierzu gehören beispielsweise:

  • das Alter des Veräußerers und des Erwerbers
  • die finanzielle Lage des Veräußerers und des Erwerbers
  • die Risikobereitschaft des Erwerbers und alternative Angebote

Der Begriff „Unternehmenswert“ ist demnach recht vieldeutig.

Grundlage für eine entsprechende Einigung kann daher eine möglichst objektive Ermittlung des Unternehmenswertes sein. Letztlich bleibt es aber den Verhandlungen zwischen Übergeber und Nachfolger überlassen, eine Einigung hinsichtlich des Kaufpreises zu erzielen, denn nur wenn eine Einigung hinsichtlich eines Kaufpreises erzielt wird, kommt es letztlich zum Abschluss eines Kaufvertrages.

Während der Marktpreis bei börsennotierten Unternehmen durch Multiplikation des Aktienkurses mit der Anzahl der Aktien ermittelt werden kann, gestaltet sich das bei Inhaber geführten kleinen und mittleren Unternehmen ungleich schwieriger.

Die Bewertung von Unternehmen, also von Einzelunternehmen, Anteilen an Personengesellschaften sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften ist im ersten Teil des BewG, insbesondere in den §§ 9 bis 11 BewG geregelt.

I. Substanzwertverfahren

1. Traditionelles Substanzwertverfahren

Bei diesem Verfahren wird die Summe der im Unternehmen vorhandenen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden ermittelt. Der Wert des Unternehmens errechnet sich danach, was ein Käufer für die Reproduktion des vorhandenen Unternehmens ausgeben müsste.

  • Im ersten Schritt wird zunächst das betriebsnotwendige Vermögen (z. B. Warenbestand, Fuhrpark, Maschinen) auf Basis der Inventarliste einzeln bewertet. Dazu werden die einzelnen Gegenstände nach Ihrem Wiederbeschaffungskosten beurteilt. Von dem so ermittelten Wert sind die zu übernehmenden Schulden abzuziehen. Das Ergebnis ist der so genannte Teilreproduktionswert.
  • In einem zweiten Schritt muss überlegt werden, wie die immateriellen Wirtschaftsgüter (z. Bsp. Patente, Software) und der Firmenwert (Kunden- und Lieferantenbeziehung, Image, Knowhow der Mitarbeiter) rekonstruiert werden können. Für die Ermittlung ist man hierbei ausschließlich auf Schätzungen angewiesen, für die es keine anerkannten Methoden gibt. Werden die immateriellen Werte hinzugerechnet, ergibt sich der Vollreproduktionswert.

2. Liquidationsverfahren

Bei dem Liquidationsverfahren geht es um die Zerschlagung eines Unternehmens. Die Vermögensgegenstände werden nach dem Veräußerungserlös bewertet. Von dem Veräußerungserlös werden alle entstehenden Kosten abgezogen. Dieses Ergebnis stellt die absolute Wertuntergrenze dar.

Vor- und Nachteile

Der Vorteil der Substanzwertmethode liegt in der einfachen Anwendung, da hierbei keine Zukunftsprognosen erforderlich sind. Es erfolgt lediglich eine Einzelbewertung  der Vermögensgegenstände und keine Gesamtbewertung.

Problematisch ist die aber die Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen wie beispielsweise ein fester Kundenstamm oder ein bekannter Markenname. Die Profitabilität (= Teil des Firmenwertes) wird bei der Substanzwertmethode nicht berücksichtigt, da auf Zukunftsprognosen verzichtet wird.

Die Substanzwertmethode ist nur dann sinnvoll, wenn im Unternehmen ein hohes Anlagevermögen vorhanden ist und immaterielle Wirtschaftsgüter und Firmenwerte nur im geringen Umfang vorhanden sind.

II. Ertragswertverfahren

Beim Ertragswertverfahren wird der Unternehmenswert auf Basis der zukünftigen Einnahmenüberschüsse ermittelt. Entscheidend bei der Unternehmensbewertung ist, welche Erträge das Unternehmen in den nächsten Jahren erwirtschaften kann, um somit den investierten Kaufpreis mittelfristig abzudecken. Die Ertragskraft und damit die Kapitaldienstfähigkeit sind bei einer Unternehmensnachfolge von wesentlicher Bedeutung.

Der Nachfolger muss aus den erwirtschafteten Erträgen nicht nur die im Unternehmen erforderlichen Investitionen, sondern auch Zins- und Tilgungszahlungen aus der Kaufpreisfinanzierung leisten.

Die Ertragswertmethode berücksichtigt die Anlagealternativen des Käufers, der mit seinem Kapital entweder das Unternehmen erwerben oder sein Geld am Kapitalmarkt anlegen kann.

Als Grundlage der Unternehmensbewertung werden die Betriebsergebnisse der letzten drei Vergangenheitsjahre, des laufenden Geschäftsjahres sowie die Planzahlen der nächsten zwei Jahre herangezogen. Hierbei sollten die Gewinne vor Steuern, aufgrund unterschiedlicher individueller steuerlicher Rahmenbedingungen, gewählt werden.

1. Bereinigung des Betriebsergebnisses

Zunächst ist das Betriebsergebnis der Vergangenheit um außergewöhnliche und einmalige Aufwendungen und Erträge zu korrigiert. Dazu zählt bspw. das kalkulatorische Geschäftsführergehalt bei Personen bzw. Einzelunternehmen oder das kalkulatorische Gehalt von Familienangehörigen. Zu den einmaligen Aufwands- und Ertragsposten gehören Sonderabschreibungen oder Versicherungsentschädigungen, also Positionen, die nicht dem unmittelbaren Geschäft zuzurechnen sind.

2. Ermittlung des zukünftig zu erwartenden Gewinns

Anschließend ist der Durchschnitt der korrigierten und geplanten Betriebsergebnisse zu ermitteln. Das Ergebnis stellt den zukünftig zu erwartenden Gewinn dar.

3. Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes

In einem dritten Schritt ist der Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln. Der Kapitalisierungszinssatz legt jene Verzinsung fest, die der Kapitalgeber unter Beachtung alternativer Kapitalanlagen mit vergleichbarem Risiko vom Bewertungsobjekt erwartet.

Diese Zinsen stellen die Mindestverzinsung dar, die das Unternehmen erwirtschaften muss. Dabei ist die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes von großer Bedeutung. Dieser besteht in der Regel zumeist aus zwei Komponenten, einem Basiszinssatz, der die Verzinsung einer alternativen Kapitalanlage z. B. in sicheren Staatsanleihen darstellt, und einem Risikoaufschlag für das interne und externe unternehmerische Risiko.

Zur Ermittlung des Risikozinses wird in der Regel ein Vergleich zu einer alternativen Kapitalanlage am Aktienmarkt angestellt und die entsprechende Rendite errechnet.

Bei kleinen und mittleren Unternehmen gestaltet sich die Ermittlung des Risikozinses ungleich schwieriger. Denn hier scheidet die Anwendung standardisierter, kapitalmarktbezogener Risikoprämien aus. Die Inhaberabhängigkeit und betriebsspezifische Risikofaktoren, die auch nach dem Verkauf eine Zeit lang nachwirken, verlangen eine individuelle Bewertung.

Je niedriger das Risiko anzusetzen ist, desto niedriger fällt der Zinssatz aus.

Üblicherweise liegen die Risikozuschläge zwischen 5 und 15%. Ein Kapitalisierungszinssatz von 8 % ergibt einen um 25 % höheren Barwert (Unternehmenswert) als ein Kapitalisierungszinssatz von 10 %. Die Frage des „richtigen“ Kapitalisierungszinssatzes ist somit gleichbedeutend mit der Frage nach dem „richtigen“ zukünftigen Gewinn.

4. Ermittlung des endgültigen Ertragswerts

Der Unternehmenswert errechnet sich nun, indem der nachhaltige Ertrag durch den Kapitalisierungszinssatz geteilt wird.

Vor- und Nachteile

Das klassische Ertragswertverfahren ist vor allem bei kleinen Unternehmen recht gut anzuwenden. Es orientiert sich am Gewinn nach allen betriebsbedingten Kosten inklusive dem Geschäftsführergehalt.

Große Unsicherheit besteht hinsichtlich des richtig angesetzten Kapitalisierungszinssatzes und über die Höhe der künftig zu erzielenden Erträge.

III. Stuttgarter Verfahren

Beim Stuttgarter Verfahren handelt es sich methodisch um ein Mittelwertverfahren, bei dem ein Substanzwert und ein Ertragswert in Form des Ertragshundertsatzes getrennt berechnet werden und sich der Wert des Unternehmens dann aus beiden Teilwerten zusammensetzt.

Das Verfahren entspricht nicht modernen Standards für die Ermittlung des Verkaufswertes eines Unternehmens. Das Stuttgarter Verfahren diente in der Vergangenheit in erster Linie primär steuerlichen Zwecken und sollte durch eine schematische Berechnung eine Gleichmäßigkeit in der Besteuerung sicherstellen, nicht aber eine möglichst adäquate Wertermittlung im Einzelfall.

Das Stuttgarter Verfahren wurde zum 01. Januar 2009 durch das Erbschaftsteuerreformgesetz abgeschafft und durch alternative Bewertungsmethoden ersetzt. Es wird daher nur der Vollständigkeit halber genannt.

IV. Discounted-Cash-Flow-Methode

Das Bewertungsprinzip der Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode) ist grundsätzlich gleich zum Ertragswertverfahren.

Eine Überschussgröße wird auf den Gegenwartswert diskontiert. Im Unterschied zum Ertragswertverfahren wird bei der DCF-Methode der zukünftige Cash-Flow als Basis herangezogen.

Der Cash-Flow zeigt an, welcher eigenerwirtschaftete Betrag im Unternehmen für Investitionen, Kredittilgungen, Steuern, Ausgleich von drohenden Engpässen usw. zur Verfügung steht.

Der Cash-Flow kann auf unterschiedliche Weise berechnet werden. Beispielsweise kann er aus der Gewinn- und Verlustrechnung abgelesen werden. Einfach ausgedrückt ist der Cash-Flow die Differenz zwischen den unternehmensbezogenen Einnahmen und den unternehmensbezogenen Ausgaben innerhalb einer bestimmten Periode. Der Cash-Flow spiegelt also den Kapitalfluss eines Unternehmens wider.

Somit sagt der Cash-Flow mehr über die Finanzkraft eines Unternehmens aus als der Gewinn bzw. Ertragswert. Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Produkt oder eine Leistung verkauft, wird dieser Verkauf als Gewinn im Unternehmen verbucht. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass der Kunde auch bereits bezahlt hat.

Bei der DCF- Methode wird nun der ermittelte Cash-Flow, hochgerechnet für drei Planjahre, auf den heutigen Kapitalwert abgezinst und stellt damit einen Unternehmenswert dar.

Vor- und Nachteile

Die DCF-Methode wurde von Wirtschaftsprüfern entwickelt, ist ein rein zukunftsorientiertes Verfahren und wird vor allem bei größeren Unternehmen angewandt. Für die Zwecke der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen ist diese Methode wenig geeignet, da diese Methode sehr aufwendig ist.

V. Multiplikatormethode (Finance Multiples)

In der Praxis gibt es im Wesentlichen zwei unterschiedliche Varianten der Multiplikatormethode.

  • Eine Variante stellt auf den EBITEBIT“ ist die englische Abkürzung für „Earnings Before Interest and Tax“, übersetzt somit der Gewinn vor Zinsen und Steuern oder das operative Betriebsergebnis.
  • Ein anderer Multiplikator stellt hingegen auf den Umsatz

Im Idealfall wird bei beiden Varianten der Durchschnitt des Gewinns oder des Umsatzes aus insgesamt sechs Geschäftsjahren gebildet: der letzten beiden Geschäftsjahre, des aktuellen und den Schätzungen der folgenden 3 Jahre. Das Ergebnis, der nachhaltige Gewinn oder Umsatz, wird dann mit dem entsprechenden Branchenfaktor multipliziert.

Die Branchenmultiplikatoren werden beispielsweise vom Finance-Magazin monatlich aktualisiert und sind im Internet abrufbar.

Hier gelangen Sie zu dem FINANCE-Multiples-Rechner.

Vor- und Nachteile

  • Das Arbeiten mit Multiplikatoren ist mit Vorsicht zu handhaben, da jedes Unternehmen individuelle Voraussetzungen und Eigenheiten aufweist. Pauschale Multiplikatoren können den Unternehmenswert erheblich verzerren.
  • Bei den Multiplikatoren gibt es in der Regel einen unteren Wert, der zumeist dem Branchendurchschnitt entspricht und einen oberen Wert, der als Orientierung bei „erfolgreichen Unternehmen“ dient. Zur Abwägung eines geeigneten Multiplikators können die so genannten „13 bewertungsrelevanten Fragen“ des Finance-Magazins herangezogen werden, die im Internet abrufbar sind. Wenn diese zumeist positiv beantwortet werden können, ist der Multiplikator eher am oberen Ende der Bandbreite einzuordnen.
  • Als Orientierungsgröße und Vergleichswert in Verhandlungen, z. B. nach Ermittlung des Ertragswertes kann nach der Multiplikatormethode ermittelte Unternehmenswert als zusätzliches Argument zur Unterstützung der eigenen Position im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen eingebracht werden.

Gerne unterstütze ich Sie im Rahmen von Kaufverhandlungen bei der Ermittlung des Wertes
Ihres Unternehmens (Stichwort: Multiples Finance), gerne auch in Zusammenarbeit mit Ihrem
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater.

Rechtsanwalt Gesellschaftsrecht Jörg Streichert
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