Der Zweck der Vorschrift des § 64 Satz 1 GmbHG besteht darin, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern und für den Fall, dass ein Geschäftsführer seiner Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird.

Leistet ein Geschäftsführer verbotene Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft haftet er mit seinem gesamten Vermögen persönlich.

Beispiele für den Tatbestand erfüllende Zahlungsveranlassungen durch den Geschäftsführer:

  • Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung.
  • Einreichung eines Kundenschecks auf ein debitorisches Konto bei bestehender Verrechnungsabrede, und zwar auch dann, wenn der Kreditrahmen nicht ausgeschöpft ist.
  • Zulassen von Zahlungen von Kunden auf debitorisches Konto des Schuldners nach Insolvenzreife etwa dadurch, dass Ihnen noch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Briefköpfe mit der Angabe des Kontos zugesandt worden sind.Ein Geschäftsführer hat aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür zu sorgen, dass Zahlungen von Gesellschaftsschuldnern nicht auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft erfolgen.
  • Pflichtverletzung auch bei Zahlung mit Mitteln, die ein Dritter gerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hat.
  • Zahlungen der Komplementär-GmbH an die KG nach Eintritt der Insolvenzreife.

Soweit die Europäische Insolvenzordnung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats in dem das Verfahren eröffnet wird.

Ein Berufungsgericht hatte insoweit auch § 64 Satz 1 GmbHG als insolvenzrechtliche Norm angesehen und den Direktor einer Limited UK mit einer im deutschen Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung einer entsprechenden Haftung unterworfen.

Der BGH war jedoch der Auffassung, dass der Begriff „Insolvenzrecht“ abschließend auszulegen sei und legte die Frage, ob es sich bei § 64 Satz 1 GmbHG um eine insolvenzrechtliche Norm handle, dem EuGH vor.

Der EuGH hat dies bejaht:

insolvenzverwalter,Eine Bestimmung wie § 64 Satz 1 GmbHG trage zur Verwirklichung eines Zieles bei, das untrennbar mit jedem Insolvenzverfahren verbunden sei, nämlich der Verhinderung etwaiger Massekürzungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, damit eine gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger erfolgen kann.

Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit sei ebenfalls nicht zu erkennen. Die Anwendung der nationalen Bestimmung des § 64 Satz 1 GmbHG betreffe weder die Gründung einer Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedsstaat noch ihre spätere Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, sondern finde nur nach der Gründung der Gesellschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit Anbindung.

Durch den EuGH in seiner eigenen Auffassung bestärkt stellte der BGH (II ZR119/14) im Leitsatz des Urteils klar, dass auch für einen Direktor einer Limited UK, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, § 64 Satz 1 GmbHG zur Anwendung kommt.

Es ist dann die Pflicht des Insolvenzverwalters, diese Ansprüche gegenüber dem Geschäftsführer geltend zu machen.

Mit diesem Urteil des BGH (II ZR 119/14) steht nunmehr fest, dass § 64 Satz 1 GmbHG trotz seiner Verortung im Gesellschaftsrecht, Teil des Insolvenzrechtes ist.

Den Volltext dieser Entscheidung finden Sie hier.

Diese Rechtsprechung dürfte auch auf zahlreiche weitere EU-Auslandsgesellschaften zu treffen. Auch für die geschäftsführenden Organe von anderen EU-Auslandsgesellschaften ist daher die Kenntnis der einem GmbH-Geschäftsführer obliegenden Pflichten von existenzieller Bedeutung.

Eine qualifizierte Beratung kann unter Umständen vor existenzbedrohenden Schadensersatzansprüchen bewahren. Hierfür stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

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