Anrechnung laufender Zahlungen
auf den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB.

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 14.7.2016 (Az.: VII ZR 297/15) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Regelung im Handelsvertretervertrag über die vereinbarte Anrechnung laufend zu zahlender Provisionen auf den künftigen Handelsvertreterausgleich wirksam ist.Gerne berate ich Sie hinsichtlich dieser Fragestellungen.
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Den Volltext dieser Entscheidung finden Sie hier.

Grundsätzlich verstoßen vertragliche Regelungen, mit denen eine Einschränkung des Handelsvertreterausgleichs vor Beendigung des Handelsvertretervertrags erfolgt, gegen die zwingende Vorschrift des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB und sind daher regelmäßig nach § 134 BGB nichtig.

Die Anrechnung von laufenden Provisionen auf den zukünftigen Handelsvertreterausgleich ist nach der Entscheidung des BGH nur dann rechtswirksam, wenn sich feststellen lässt, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten, als es dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Teils verbleibt.

Die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzung vorliegt, trifft den Unternehmer.

Ist eine derartige Vertragsbestimmung hiernach nichtig, so ist der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Unternehmer geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen.

I. Sachverhalt

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall enthielt der Handelsvertretervertrag folgende Regelung:

„Zusätzlich zu den Provisionen erhält die Untervertretung eine Vorauszahlung von monatlich 200,- EUR auf einen evtl. fällig werdenden Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB). In den Fällen des § 89 b Abs. 3 HGB ist der Vorschuss von der Untervertretung zurückzuzahlen.“

Nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses verlangte nunmehr der Unternehmer vom Handelsvertreter die Rückzahlung der Vorauszahlung auf den Ausgleichsanspruch.

Das LG Aachen als Berufungsgericht hat dem Anspruch des Kläger auf Rückzahlung teilweise mit der Begründung stattgegeben, dass der Kläger die gemäß Vertrag vereinbarten monatlichen Zusatzbeträge während der Vertragszeit nur als Vorschusszahlungen auf einen möglichen Ausgleichsanspruch des Beklagten nach § 89b HGB geleistet habe.

Vorschuss- oder Vorauszahlungen auf den künftigen Ausgleichsanspruch seien vor Beendigung des Handelsvertretervertrags sowie nach Vertragsende, aber vor seiner endgültigen rechnerischen Ermittlung, grundsätzlich jederzeit zulässig; solche Zahlungen seien dann zurück zu gewähren, soweit sich diese nachträglich als nicht geschuldet erweisen.

II. Begründung

Der BGH hat festgestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen durchaus ein Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen besteht.

Entscheidend war für den BGH in dem zu entscheidenden Fall, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Kläger geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen war, den die Beklagte behalten durfte.

  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt eine Vertragsbestimmung in einem Handelsvertretervertrag, wonach ein Teil der dem Handelsvertreter laufend zu zahlenden Vergütung auf den künftigen Ausgleichsanspruch angerechnet werden soll, im Zweifel gegen die zwingende Vorschrift des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB und ist daher in der Regel gemäß § 134 BGB nichtig.
  • Eine solche Vertragsbestimmung ist nur dann rechtswirksam, wenn sich feststellen lässt, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten, als dies dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Teils verbleibt.

Der BGH hat festgestellt, dass das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Abrechnungsabrede im Rahmen des § 89b HGB nicht ausreichend geprüft und keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Parteien ohne die Vergütung- und Abrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten.

Ebenso konnte der BGH nicht ausschließen, dass der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Kläger geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen war, den die Beklagte behalten durfte.

Der BGH hat den Streitfall an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit weitere Feststellungen getroffen werden können.

III. Bedeutung für die Praxis

Anrechnungsklauseln in Handelsvertreterverträgen, die die Vorauserfüllung eines später möglichen Handelsvertreterausgleichs regeln, sind in der Praxis regelmäßig zu finden. Der Unternehmer erspart sich die Bildung von Rückstellungen und kann die Vorauszahlungen auf den Ausgleich als steuerliche Betriebsausgabe sofort abziehen. Der Handelsvertreter schützt sich mit solchen Vorauszahlungen vor dem Risiko der Insolvenz des Unternehmers.

Allerdings besteht bei solchen Anrechnungsklauseln die Gefahr der Begrenzung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b Abs. 4 S. 1 HGB und damit die Gefahr der Nichtigkeit.

Unternehmer laufen Gefahr, dass bei später festgestellter Nichtigkeit von solchen Vorauszahlungen der zusätzliche Teil der Provision, der als Anzahlung auf den späteren Ausgleich gerechnet werden soll, als regulärer Teil der Gesamtvergütung angesehen wird und vom Handelsvertreter nicht mehr zurückverlangt werden kann. Eine Zahlung des Ausgleichs an den Handelsvertreter kommt dann noch hinzu, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Der Ausschluss, die Beschränkung oder Begrenzung des Ausgleichs durch Formulierungen im Handelsvertretervertrag ist zur Vermeidung der Nichtigkeit ist daher unbedingt zu unterlassen.

Eine Klausel über die Anrechnung laufend zu zahlender Vergütungen auf einen Handelsvertreterausgleich sollte die nachfolgenden Kriterien der Rechtsprechung zwingend berücksichtigen:

  • Die Parteien hätten auch ohne die gegenständliche Vereinbarung der Anrechnung keine höhere regelmäßige Provision vereinbart.
  • Die vereinbarte Gesamtvergütung muss deutlich über dem Branchenüblichen liegen.
  • Es sollten keine besonderen Umstände vorliegen, die einen Sachgrund für die Überschreitung des üblichen Provisionssatzes geben.
  • Ergänzung der vertraglichen Anrechnungsabrede, dass eine Begrenzung des Ausgleichs vermieden und dem Handelsvertreter die Geltendmachung eines höheren Anspruchs vorbehalten bleibt.

Die Entscheidung ist aufgrund der ständigen Rechtsprechung, die die Vorschriften des Ausgleichs nach § 89a HGB auf den Vertragshändler entsprechend anwendet, auch bei Vertragshändlern zu berücksichtigen.

Rechtsanwalt Gesellschaftsrecht Jörg Streichert
Nach oben scrollen